Corporate Influencing scheint gerade der neue „heilige Gral“ im Employer Branding und Marketing zu sein. Warum teure Agenturen engagieren, wenn man die eigenen Mitarbeitenden als Markenbotschafter:innen einsetzen kann? Klingt wie eine kostengünstige und authentische Alternative, oder? Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeitenden dazu ermutigen, sich in sozialen Netzwerken zu positionieren und den Ruf der eigenen Firma zu stärken.

Viele legen voll motiviert los, um die ersten Corporate Posts in ihrem persönlichen Netzwerk auf LinkedIn, Instagram oder TikTok zu teilen – und geben schnell wieder auf, weil der erhoffte Erfolg ausbleibt. Warum das so ist, habe ich in diesem früheren Beitrag aufgezeigt: https://www.beraterkreis.at/corporate-influencing-programm-in-7-schritten/

Aber was noch viel seltener thematisiert wird, sind die negativen Auswirkungen davon, wenn man im Rampenlicht steht, eben…

Die Schattenseiten von Corporate Influencing

Denn auch wenn es oft so aussieht, als wäre es nur eine spaßige „Nebenbeschäftigung“ der Gen Z Kolleg:innen – die Realität sieht anders aus.

Dazu habe ich kürzlich mit der Corporate Influencing Expertin Beate Schulte gesprochen. Beate ist Head of Employer Branding & Recruting bei Geers. (Zum LinkedIn Profil von Beate Schulte). In unserem Interview spricht Beate über fünf Punkte, die deutlich machen, dass Corporate Influencing kein Selbstläufer ist und einige Schattenseiten hat, über die kaum jemand spricht.

In diesem Beitrag hebe ich die 5 wichtigsten Punkte hervor, die Beate in unserem Interview erwähnt. Das Interview zum Ansehen & Anhören mit Beate sowie viele weitere mit zahlreichen HR Expert:innen findest Du in unserer kostenfreien HR Academy hier: https://www.beraterkreis.at/hracademy/

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1) CI ist Arbeit – und nicht nur Chillen auf Events

Wer denkt, Corporate Influencing sei nur das lockere Posieren auf Firmenevents und das Genießen von Goodie-Bags, liegt weit daneben. Corporate Influencing bedeutet, immer wieder Content für die eigene Community zu planen, zu erstellen und zu posten.

Es bedeutet, durchzuhalten, auch wenn der Algorithmus Dich mal im Stich lässt. Corporate Influencer:innen müssen ständig auf Zack sein, das heißt regelmäßig Posten, Community Management und Interaktion mit den Followern – und dabei stets die Balance zwischen Professionalität und Authentizität finden.

Das klingt anstrengend? Ist es auch. Corporate Influencing erfordert eine hohe Selbstmotivation, die nicht jede:r dauerhaft aufbringen kann. Es bedeutet, immer wieder die Extra-Meile zu gehen – das ist das eigentliche Motto. Einfach nur einmal im Monat ein Foto vom Mittagstisch zu teilen reicht nicht aus, um die Reichweite zu halten oder gar zu steigern.

2) Mein Feed ist nicht Dein Feed – und schon gar nicht die Realität

Schon Paul Watzlawick hat uns vor über einem halben Jahrhunder gefragt: Was ist wirklich wirklich?

Was schon in der Offlinewelt galt ist auf Social Media ein ganz normales Phänomen: Was Du in Deinem Feed siehst, ist nicht das, was andere sehen. Die Algorithmen von Insta & co bestimmen die „Realität“ auf Deinem Screen, heißt: jede:r erlebt Social Media anders, weil er/sie eben etwas anderes sieht, basierend auf Deinen Vorlieben und Verhaltensmustern. Das, was andere sehen, kann völlig anders aussehen.

Dazu kommt noch: was für eine Person nach einer harmonischen, erfolgreichen Kampagne aussieht, kann für die andere Person bereits nerviger cringe Content sein.

Corporate Influencer:innen müssen sich immer wieder bewusst machen, dass sie nicht für die Social-Media-Bubble leben sollten. Das „wahre Leben“ spielt sich immer noch phyisch auf Planet Erde ab – jenseits von virtuellen Likes und Kommentaren, auch wenn Social Media Content einen beachtlichen Einfluss auf unser (Berufs)leben hat.

3) Sichtbarkeit macht Dich angreifbar – und das kann wehtun

Sichtbarkeit hat ihren Preis – und dieser Preis ist die Angreifbarkeit. Vor allem als Frau in der Öffentlichkeit (die übderwiegenfe Mehrheit im Employer Branding) musst Du damit rechnen, dass nicht immer nur positive Kommentare kommen. In vielen Fällen wird sogar genau das Gegenteil passieren: Es gibt immer jemanden, der Deine Meinung kritisiert oder, im schlimmsten Fall, persönliche Angriffe startet. Dazu gehören leider auch sexistische oder herablassende Kommentare zum Alltag vieler weiblicher Influencerinnen.

Aber auch unabhängig vom Geschlecht: Wer sich als Corporate Influencer:in positioniert, stellt sich als Expert:in dar – und das macht angreifbar. Kritische Stimmen, andere Meinungen und die Frage, ob man authentisch wirkt oder einfach nur „Show“ macht, sind ständige Begleiter. Ist man bereit, das auszuhalten?

Dazu kommt noch der Druck der eigenen Erwartungen. Ständig stellt man sich die Frage: „Komme ich authentisch rüber oder wirke ich auf jemanden vielleicht unseriös oder gar peinlich?“

4) Rollendivergenz: Dein Profil vs. der Auftritt für Deinen Arbeitgeber

Ein weiteres Dilemma, das viele Corporate Influencer:innen erleben stellt sich durch die Frage: Wie viel von meiner Persönlichkeit soll ich in meine Beiträge einfließen lassen, wenn ich meinen Arbeitgeber repräsentiere? Die Herausforderung besteht darin, die Balance zu halte zwischen der eigenen Meinung und der Unternehmens-Influencingstrategie.

Ein Beispiel: Du interessierst Dich für die Möglichkeiten und Anwendungsgebiete künstlicher Intelligenz und möchtest darüber posten, doch Dein Arbeitgeber äußert sich zu diesem Thema nicht oder sieht den Einsatz von KI sogar kritisch. Oder Du hast eine Leidenschaft für bestimmte Musik… – also Dinge, die auf den ersten Blick nichts mit dem Job zu tun haben, Dir aber sehr wichtig sind. Wie sehr darf das in Deinen Content einfließen?

Wir wissen: Zu glatt polierte Beiträge sind nichtssagend, und funktionieren nicht. Weil sie langweilig sind. Wir wollen Persönlichkeiten sehen, Ecken und Kanten. Jemand, der für etwas einsteht oder gegen etwas ist.

Dabei kann es zu beträchtlichen Interessens- oder Rollenkonflikten kommen: Auf der einen Seite möchtest Du authentisch auftreten und Deine eigenen Interessen zeigen, auf der anderen Seite musst Du die Unternehmenswerte vertreten. Ein Balanceakt, der nicht immer einfach ist.

5. Wie viel Persönlichkeit ist zu viel?

Corporate Influencing lebt von Authentizität und Glaubwürdigkeit. Doch wo zieht man die Grenze? Wie viel von Deiner Persönlichkeit solltest Du preisgeben? Wie offen möchtest Du über private Themen sprechen?

Manche Influencer:innen setzen bewusst auf eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben, andere lassen ihre Follower auch an persönlichen Geschichten teilhaben, weil das Beziehung herstellt, die wiederum Vertrauen schafft. Doch wie weit solltest Du hier gehen?

Wie viel Emotion ist okay, ohne dass es unprofessionell wirkt? Die Gratwanderung zwischen „authentisch“ und „zu privat“ ist eine der größten Herausforderungen im Corporate Influencing.

Fazit: Corporate Influencing ist mehr als nur Postings und Likes

Corporate Influencing mag auf den ersten Blick einfach aussehen, doch es bringt auch viele Herausforderungen und Schattenseiten mit sich. Es ist echte Arbeit, verlangt Ausdauer und stellt Dich immer wieder vor Fragen, wie viel Persönlichkeit Du zeigen möchtest und wie Du mit Kritik umgehst.

Die Mühe kann sich lohnen, wenn man sich der Risiken bewusst ist und damit umgehen kann. Jedenfalls ist Corporate Influencing wesentlich mehr als ein paar Fotos und mit dem Handy zu schießen und schnell mal auf TikTok zu teilen. Bestimmt ist es auch nichts für jede:n. Wenn Du möchtest, teile gern Deine Erfahrungen mit Corporate Influencing und schreib mir, welche Herausforderungen Du erlebt oder welche Gedanken Du dazu hast.


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